Wie Stress funktioniert

„Warum raste ich gerade wieder so aus?“
Kennst du das? Jemand schneidet dir auf der Autobahn den Weg ab, und obwohl nichts passiert ist, schießt dir das Adrenalin in die Adern. Oder dein Chef kritisiert eine Kleinigkeit, und du spürst, wie dein Körper in den Kampfmodus geht. Warum eigentlich? Warum reagieren wir manchmal übertrieben heftig, obwohl es objektiv keinen Grund gibt?
Das SORKC-Modell
Die Antwort darauf liefert das sogenannte SORKC-Modell, ein praxistaugliches Werkzeug aus der Verhaltenstherapie, das aufzeigt, wie Reiz, Bewertung, Reaktion und Konsequenz miteinander verwoben sind. Gerade im Kontext von Stressbewältigung, Burnout-Prävention und dem Verständnis von Stressursachen ist dieses Modell ein regelrechter Klassiker.
Was bedeutet SORKC?
Das SORKC-Modell wurde von Kanfer und Saslow (1965) entwickelt und beschreibt, wie Verhalten in einem bestimmten Kontext entsteht. Es dient dazu, problematisches Verhalten (z. B. Stressreaktionen) zu analysieren und gezielt zu verändern.
SORKC steht für:
S = Stimulus (auslösender Reiz)
O = Organismus (innere Verfassung, Vorerfahrungen, Werte)
R = Reaktion (vegetativ, muskulär, kognitiv und emotional)
K = Konsequenz (kurz- und langfristige Folgen)
C = Kontingenz (Regelmäßigkeit, Vorhersehbarkeit der Konsequenz)
Dieses Modell ist besonders hilfreich, um akuten und chronischen Stress besser zu verstehen.
Der Stimulus: Was löst Stress aus?
Stress entsteht nicht aus dem Nichts. Er wird durch einen bestimmten Auslöser aktiviert. Das kann eine Situation, ein Gedanke oder ein inneres Bild sein.
Beispiele für typische Stress-Trigger:
- Der Ton einer eintreffenden E-Mail vom Chef
- Ein kritischer Blick deines Partners
- Eine Deadline, die näher rückt
- Eine Erinnerung an ein unangenehmes Erlebnis
Der Organismus: Warum wir unterschiedlich reagieren
Der Reiz allein erzeugt noch keinen Stress. Entscheidend ist, wie wir ihn bewerten. Genau hier kommt das „O“ ins Spiel: Der Organismus steht für alle individuellen Faktoren, die in uns wirken:
Dazu gehören:
- unsere Persönlichkeitsstruktur
- biografische Prägungen
- aktuelle Stimmung
- innere Glaubenssätze („Ich muss perfekt sein.“)
- unsere Stressresilienz
Beispiel:
Zwei Menschen stehen im Stau. Der eine hört Musik und bleibt gelassen. Der andere flucht, trommelt auf das Lenkrad und kommt völlig gestresst bei der Arbeit an. Der Reiz war gleich – die innere Verfassung unterschiedlich.
Die Reaktion: Körper, Gefühle, Verhalten
Sobald unser „inneres Bewertungssystem“ auf Alarm geht, folgt die Reaktion. Diese zeigt sich auf verschiedenen Ebenen:
Reaktionsebenen:
vegetativ: Herzklopfen, Schwitzen, Atemveränderungen
muskulär: Muskelanspannung, Zähneknirschen, Unruhe
emotional: Wut, Angst, Frustration
kognitiv: Gedankenrasen, Katastrophendenken
Typisch für akuten Stress ist der sogenannte „Fight-or-Flight“-Modus, also Kampf oder Flucht. Bei Dauerstress sind diese Reaktionen chronisch aktiviert und führen langfristig zu Erschöpfung.
Die Konsequenz: Kurzzeitige Entlastung, langfristiger Schaden?
Jede Reaktion zieht eine Konsequenz nach sich. Diese kann belohnend oder bestrafend sein – kurzfristig oder langfristig.
Beispiele:
Wutausbruch → kurzfristige Entladung (Reaktion), langfristig Ablehnung durch Kollegen (Konsequenz)
Rückzug bei Konflikten → kurzfristige Ruhe (Reaktion), langfristig ungelöste Spannungen (Konsequenz)
Perfektionismus → kurzfristiges Erfolgserlebnis (Reaktion), langfristig Überforderung und Erschöpfung (Konsequenz)
Die Kontingenz:
Das C im SORKC-Modell steht für Kontingenz. Es beschreibt, wie regelmäßig und wie vorhersehbar eine bestimmte Konsequenz auf ein Verhalten folgt. Das ist entscheidend dafür, ob wir ein Verhalten beibehalten oder ändern.
Beispiel zur Kontingenz:
- Wenn auf dein schnelles Arbeiten im Büro immer eine positive Rückmeldung folgt, stärkst du dieses Verhalten.
- Wenn Lob nur gelegentlich oder unzuverlässig kommt, kann deine Motivation sinken – trotz gleichem Einsatz.
Warum das SORKC-Modell so hilfreich ist
Das SORKC-Modell hilft uns, nicht nur „das Symptom Stress“ zu betrachten, sondern seine Dynamik zu verstehen:
Nicht der Reiz ist das Problem, sondern wie ich damit umgehe.
Wer sein Verhalten über das SORKC-Modell reflektiert, kann:
- seine Stressmuster erkennen
- alternative Reaktionen entwickeln
- langfristig gesundheitsförderlich handeln
Anwendung in der Praxis: So nutzt du das SORKC-Modell im Alltag
Schritt-für-Schritt:
- S: Was war der auslösende Reiz?
- O: Welche Gedanken oder Gefühle hatte ich dabei?
- R: Wie habe ich reagiert (vegetativ, muskulär, emotional, kognitiv)?
- K: Welche kurzfristigen und langfristigen Folgen hatte das?
- C: Wie regelmäßig oder vorhersehbar tritt diese Konsequenz auf?
Beispiel aus dem Berufsalltag:
Jemand hat Präsentationsangst vor größeren Gruppen. Der Gedanke „Ich blamiere mich“ führt zu Herzrasen und Vermeidungsverhalten. Mit dem SORKC-Modell wird dieser automatische Ablauf erkannt und durch realistischere Gedanken ersetzt – was den Stress deutlich reduziert.
Fazit: Verstehen statt funktionieren
Wer Stress nachhaltig bewältigen will, muss verstehen, wie er entsteht. Das SORKC-Modell bietet dafür eine klare, nachvollziehbare Struktur – nicht nur für Coaches und Therapeuten, sondern für alle, die ihre Stresskompetenz verbessern wollen.
Key Learnings
- Stress entsteht durch Zusammenspiel von Reiz, Bewertung und Reaktion
- Jeder Mensch reagiert anders – je nach innerem Zustand
- Das SORKC-Modell macht unbewusste Muster sichtbar
- Wer Stress verstehen will, muss seine Konsequenzen reflektieren
- SORKC eignet sich ideal für Coaching, Therapie und Selbstreflexion
Wie geht’s weiter?
👉 Lies als Nächstes: „Stress bewältigen mit System“
👉 Oder starte direkt praktisch: „Stressmanagement für Anfänger: Wie du den ersten Schritt machst“
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